„Wir reparieren, wo es Sinn macht“
„bei uns“: Klimaschutz und bezahlbares Wohnen – geht das zusammen?
Peter Kay: Das geht weder beim Neubau noch beim Bestand zusammen.
Warum?
Aufgrund der gestiegenen Baukosten, hoher Zinsen und kostentreibender Klimaschutzauflagen ist die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gewährleistet. Wirtschaftlichkeit ist aber für Genossenschaften überlebensnotwendig. Unsere Einnahmen kommen allein aus den Kaltmieten unserer Mitglieder. Daraus müssen alle Aufwendungen für die Bewirtschaftung und das Eigenkapital für Investitionen generiert werden.
Was hat die Bedingungen so erschwert?
Die Corona-Pandemie, die zu Lieferengpässen beim Material und zu Personalmangel führte. Hinzu kommt der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der sich indirekt auch gegen die westlichen Unterstützer aus der EU richtet. Als Folge wurden Energie und Rohstoffe teurer und knapper. Das hat über eine hohe Inflation zur Destabilisierung der westlichen Wirtschaft geführt.
Wie wird Neubau bezahlbar?
Die Preisentwicklung der vergangenen Jahre lässt es nicht mehr zu, den Bau von Wohnungen verlässlich zu kalkulieren. Wir brauchen dynamisierte Subventionen, also öffentliche Mittel, die steigen, wenn die Baukosten während der Bauzeit steigen. Nur so ist das Risiko für die Bauherren zu begrenzen.
Wo muss gespart werden?
Wir müssen uns von dem Standard verabschieden, den wir lieb gewonnen haben. Also: weniger Aufzüge, weniger Schallschutz, Verzicht auf Loggien und stattdessen Balkone bauen sowie die Reduzierung der Zahl der Steckdosen.
Peter Kay,
Vorstand der Baugenossenschaft
freier Gewerkschafter eG (bgfg)
Welche staatlichen Vorgaben sind am teuersten?
Die hohen energetischen Anforderungen an die Gebäudehülle, der überdimensionierte Schallschutz und die ausufernde technische Gebäudeausrüstung bei Lüftung, Heizung und Warmwasserversorgung.
Wie sieht es im Bestand aus?
Die Teuerungsdramatik hat die Bestandswohnungen längst erfasst. Die Kosten für die Instandhaltung sind in den vergangenen zwei Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen. Bei den Nutzungsgebühren sieht es anders aus. Das passt nicht zusammen.
Was muss die bgfg investieren, um bis 2045 klimaneutral zu sein?
Ich fürchte, dass wir das unter den gegebenen Bedingungen bis 2045 nicht schaffen werden. Voraussetzung wäre, dass wir zu 100 Prozent erneuerbare Energie beziehen – und zwar zu einem Preis, den wir heute für fossile Energie bezahlen. Das aber ist das Problem. Wir könnten fossiles Gas durch Biogas ersetzen. Derzeit kostet Biogas aber zehn Mal mehr als fossiles Erdgas. Das würde dazu führen, dass unsere monatlichen Heizkosten von derzeit 1,30 Euro auf 13 Euro steigen.
Wie viele Ihrer Wohnungen müssten grundlegend saniert werden?
Die bgfg baute 1922 die erste Wohnanlage. Der gesamte Bestand unserer Genossenschaft entstand in 102 Jahren, wurde im Krieg bis auf wenige Hundert Wohnungen zerstört und wieder aufgebaut. Viele unserer Backsteinwohnanlagen, die ursprünglich in den 20er-Jahren errichtet wurden, insbesondere in Barmbek und auf dem Dulsberg, sind in Wahrheit Wiederaufbau-Bauten aus den 50er-Jahren. Nur die Außenmauern blieben erhalten. Heute stehen diese Wohnanlagen unter Denkmalschutz, was eine energetische Sanierung unmöglich macht.
Welche Auswirkungen hätten die Sanierungskosten auf die Mieten?
Bislang haben wir bei unseren Wohnanlagen unter Nutzung von verschiedenen öffentlichen Förderprogrammen der IFB Hamburg Modernisierungspakete geschnürt, die in der Regel die Gebäudehülle und Heizung sowie Bad und Küche umfassten. Solche Maßnahmen erfordern heute in der Regel 3.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Von den 3.000 Euro verschlingen Gebäudehülle und Heizung etwa 2.000 Euro. Ohne Fördermittel würde das dazu führen, dass die Mieten um acht bis zwölf Euro pro Quadratmeter erhöht werden müssten. Aber auch die dafür erforderlichen Fördermittel sind endlich.
Wie sieht Ihr Pragmatismus bei der -Energiewende aus?
Wir reparieren, wo es Sinn macht, und investieren, wo es wirtschaftlich ist – damit auch in Zukunft genug Reserven für Krisen und künftige Anforderungen da sind. Das Vermögen bleibt in der Solidargemeinschaft Genossenschaft und steht den Mitgliedern zu – nicht der Allgemeinheit oder der Stadt Hamburg.